Am 9. März fand in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München die Tagung „Weblogs in den Geisteswissenschaften“ statt (#dhiha4). Anlass war der offizielle Start des deutschen Zweigs des Portals Hypotheses für Weblogs aus den Geisteswissenschaften. Am Rande der Tagung habe ich mit Projektleiterin Mareike König vom Deutschen Historischen Institut in Paris gesprochen.
Michael Müller: Mit der heute offiziell gestarteten Plattform de.hypotheses.org, dem deutschsprachigen Zweig des französischen Portals Hypotheses, bieten Sie Geisteswissenschaftlern die Möglichkeit, ein Weblog einzurichten. An wen richtet sich dieses Angebot, und wie funktioniert es?
Mareike König: Es ist ein Angebot an die wissenschaftliche Community in den Geistes- und Sozialwissenschaften, alle Disziplinen. Jeder, der akademisch tätig, an eine Universität oder ein Forschungsinstitut angebunden ist, kann hier ein Blog eröffnen. Das kann ein Doktorand, eine Professorin, eine Stipendiatin sein, aber auch Mitarbeiter von Einrichtungen der Forschungsförderung, Bibliothekare, Archivarinnen … Wir haben diesen Rahmen bewusst sehr breit gewählt.
MM: Wer auf de.hypotheses.org schreiben möchte, muss sich bei der Redaktion bewerben?
MK: Man nimmt zunächst über ein online-Formular Kontakt zu uns auf. Wir stellen dort eine Reihe von Fragen, die dazu anregen sollen, sich noch einmal klar zu machen, wie man sein Blog führen möchte. Wir bitten um eine Kurzbeschreibung, fragen nach den Zielgruppen, wie die Kommentarfunktion eingestellt werden soll, nach Schlagwörtern, Kategorien, ob Video und Audio eingebunden werden sollen … Wie viele Personen werden in dem Blog schreiben? Wir entscheiden dann, ob das Blog in unserem Portal aufgenommen wird.
MM: Nun finden Sie ein Projekt passend und interessant, schalten das Blog frei – was findet der neue Blogger, die neue Bloggerin dann vor?
MK: Nach spätestens drei Tagen erhält der Blogger seine Zugangsdaten zu einem fertig aufgesetzten WordPress-Blog mit einer eigenen URL als Subdomain von hypotheses.org, also z. B. frueheneuzeit.hypotheses.org. Die Grundeinstellungen sind dort schon vorgenommen, auch die ersten drei Seiten werden von uns schon angelegt: Startseite, Über [Name des Blogs] und Impressum. Man kann dann sofort anfangen, seinen eigenen Header einzubinden und weitere Element wie Fotos oder eine Blogroll hinzuzufügen. Auch die Kurzbeschreibung aus dem Antragsformular findet sich in der Sidebar und als erster Blogpost.
MM: Eine Stärke von WordPress ist die unglaubliche Fülle von Themes und Plugins, mit denen man das Content Management System gestalterisch und funktional anpassen und erweitern kann. Können die Blogger von hypotheses.org diese Möglichkeiten frei nutzen, oder sind sie auf ihre Vorgaben festgelegt?
MK: Wir bieten zur Zeit die Möglichkeit, zwischen vier unterschiedlichen Themes zu wählen. Eines ist für Fotoblogs gedacht, die anderen unterscheiden sich im Wesentlichen in ihrem Layout. Zudem bieten wir eine Fülle von Widgets, mit denen man zusätzliche Funktionalitäten integrieren kann. Wenn man etwas vermisst, kann man das bei uns anfordern. Wir verstehen uns als eine Community die lebt und sich weiterentwickelt. Zum Teil entwickeln wir auch eigene Sachen. Wir schauen dann: Ist das sinnvoll, wird das benötigt? Dann bauen wir es noch ein. Die wichtigsten Funktionen, etwa RSS-Feeds, die Integration von Sozialen Medien, beispielsweise der Google Plus-Button, sind schon verfügbar.
MM: Welche Unterstützung bekommen die Kollegen, wenn Sie mit ihrem Blog loslegen möchten?
MK: Wir bieten eine Dokumentation, ein „Getting started“-Handbuch, wo die ersten Schritte recht übersichtlich und einfach erklärt werden. Wir führen aber auch ein eigenes Blog, das Bloghaus, wo wir regelmäßig technische Hinweise und Hilfestellungen geben. Man kann auch über die Mailingliste um Hilfe bitten, wenn man irgendwo nicht klar kommt. Für die Zukunft planen wir, an den einzelnen Universitäten Schulungen zu WordPress anzubieten.
MM: Wie lange dauert es erfahrungsgemäß, bis Novizen mit dem Redaktionssystem gut zurecht kommen und alle Funktionen sicher beherrschen?
MK: Das kommt natürlich ganz auf die Vorkenntnisse an. Wer mit anderen CMS-Systemen wie Typo3 vertraut ist, hat das wahrscheinlich in ein, zwei Stunden geschafft, sonst dauert es vielleicht ein bisschen länger. Aber einen Artikel einzustellen, ist wirklich ganz, ganz einfach. Damit kommt eigentlich jeder sofort klar. Bei spezielleren Fragen, etwa der Einbindung von Widgets, muss man sich einfach mal hinsetzen und in der Dokumentation nachlesen. Im Grunde ist das Blog aber in einem halben Tag eingerichtet.
MM: Wir haben heute auf der Tagung gehört, dass wissenschaftliche Blogs inhaltlich ganz unterschiedlich ausgestaltet sein können. Auf welche Form von Blog zielt de.hypotheses.org ab?
MK: Was wir nicht wollen, sind wissenschaftliche Blogs, die man dem „Typ 1“ zuordnet: Blogs bei denen ein Wissenschaftler, eine Wissenschaftlerin über die eigenen Ansichten schreibt und gelegentlich einen persönlichen Blick auf die eigene Disziplin wirft. Wir möchten gerne Blogs haben, die themenspezifisch sind, die ein ganz klar abgegrenztes Thema haben. Am liebsten zu einem konkreten Vorhaben, zu einer Dissertation, einem Forschungsprojekt. Blogs, die für ein breiteres Publikum über wissenschaftliche Themen schreiben (Typ 2), sind sehr willkommen. Der dritte Typus, die richtigen Forschungsblogs, mit denen die Community des eigenen Fachs angesprochen wird, sind natürlich die Form, die wir uns besonders wünschen.
MM: Wie ist die Ausrichtung bei der französischen Plattform hypothese.org, die ja schon länger aktiv ist und viele Hundert Forschungsblogs vereint?
MK: Hier ist es eine Mischung aus Typ 2 und Typ 3, wobei die Forschungsblogs von Typ 3 eindeutig überwiegen. Das kennen wir in Deutschland in dieser Form noch nicht. Auch bei den Vorträgen auf unserer Tagung ging es stark um den Typ 2, weil das eben auch die Blogs sind, die man auf den bestehenden, naturwissenschaftlich orientierten Plattformen Scienceblogs oder SciLogs schon kennt. Die sind ja eher auf eine populärwissenschaftliche Vermittlung ausgerichtet. Das hat bei uns auch seinen Platz, wir wollen uns aber nicht darauf beschränken. Es soll auch der fachliche Austausch im engeren Sinne möglich sein.
MM: Sie haben die Möglichkeit angesprochen, zu einer Doktorarbeit zu bloggen. Das heißt: Ein solches Projekt ist irgendwann abgeschlossen (auch wenn es in der Regel lange dauert), der Blog also zeitlich begrenzt. Sind auch Blogs, etwa zu einer Ausstellung, einem Jubiläum willkommen, Blogs die irgendwann auch wieder eingestellt werden?
MK: Ja, unbedingt. Eine Ausstellung ist natürlich noch mal deutlich kürzer, wobei man ja schon in der Vorbereitungsphase anfangen kann. Bei solchen Eventblogs ist es ganz normal, dass sie irgendwann auch wieder eingestellt werden. Gerade das flexible Medium Blog ist dafür wunderbar geeignet. Da können auch mal kürzere Beiträge erscheinen oder eine Zeit lang gar keine. Man sollte zwar jede Woche bloggen, darf das aber nicht zu eng sehen. Letztlich ist ein Blog, was man daraus macht. Wir haben das selbst schon zu einer Veranstaltung gemacht. Die Beiträge und Vortragenden wurden vorher auf dem Blog angekündigt, damit konnte man schon in der Vorbereitungsphase Aufmerksamkeit auf die Tagung lenken.
MM: Als ein Kriterium haben Sie die Anbindung an eine Institution genannt. Wären für Sie neben Universitäten, Akademien, Forschungseinrichtungen auch Institutionen der Kulturvermittlung wie Museen oder historische Stätten interessant?
MK: Auf jeden Fall. Gerade in Museen arbeiten ja auch Wissenschaftler, da sehe ich überhaupt kein Problem.
MM: … oder Archive, Bibliotheken, historische Gedenkstätten?
MK: Ja, absolut. Da könnte man Institutionsblogs machen, wichtig ist es nur, dass es ein Thema gibt. Wenn eine Bibliothekarin über Ihr Leben bloggen möchte, würden wir sagen: Gute Idee, aber nicht für unsere Plattform, dafür ist sie nicht da. Aber wenn jemand etwa für sein Museum über ein bestimmtes wissenschaftliches Thema bloggt, ist das völlig in Ordnung.
MM: Vielen Dank und viel Erfolg mit de.hypotheses!
Zur aktuellen Debatte und der Resonanz auf die Tagung in München siehe auch unser Storify-Zusammenstellung.