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Interview mit Claudia Bertling Biaggini, Initiatorin der E-Learning-Plattform visual artnet

Das Schweizer Portal visual artnet hat sich vorgenommen, kunsthistorisches Wissen mit neuen Methoden des E- und M-Learning zu vermitteln. Es versteht sich als Medium zur Weiterbildung im Fach Kunstgeschichte – auch außerhalb der Universitäten und  Schulen. Wir haben mit der Initiatorin Claudia Bertling Biaggini über dieses Projekt gesprochen.


Michael Müller: Frau Bertling Biaggini, visual artnet möchte kunsthistorisches Wissen durch E-Learning vermitteln. An wen richtet sich dieses Angebot?

Claudia Bertling Biaggini: Das Lernprogramm von visual artnet, das den gesamten deutschsprachigen Markt anspricht, richtet sich an Schüler, Jugendliche und Erwachsene und soll ganz allgemein für das Fach Kunstgeschichte begeistern und Fachwissen vermitteln.

MM: Sehen Sie Ihr Angebot auch als Ergänzung der klassischen akademischen Ausbildung im Fach Kunstgeschichte?

CBB: Vor allem unsere Vertiefungskurse richten sich an Studenten und an ein fachlich stärker interessiertes Publikum. Es werden Themen behandelt, die auch unter wissenschaftlichem Aspekt anregen sollen – so beispielsweise ein Kurs zur Intermedialität von Musik und Malerei. Das geht also weit darüber hinaus, was in den Grundkursen angeboten wird. Visual artnet wird sich in Zukunft dem Bedürfnis seiner Nutzer anpassen müssen und entscheiden, ob es mehr akademische oder eher breit angelegte  Schwerpunktthemen anbietet. Mein Ziel wäre es, diese Art Doppelspurigkeit aufrecht zu halten.

visual artnet - Screenshot Online Learning

MMWie läuft der Unterricht bei visual artnet ab? Arbeiten die Lernenden alleine oder werden sie von Dozenten betreut?

CBB: Es stehen verschiedene Module zur Auswahl. Bei basic und school werden Kurse unterschiedlicher Vertiefung angeboten, die eigenständig absolviert werden können. Unter der Rubrik academy sind interaktive Kurse eingerichtet, die von einem Tutor betreut werden. Die Tutorials machen einen direkten Wissensaustausch mit der Lehrperson oder mit anderen Teilnehmern möglich.

MM: Wer steckt hinter dieser Plattform?

CBB: Die Plattform wurde von mir gegründet, um das Fach Kunstgeschichte einer breiten Öffentlichkeit frei zugänglich zu machen. Visual artnet lässt sich von Experten auf dem Gebiet Fach- und Mediendidaktik beraten und rekrutiert sein Autorenteam aus dem Fachbereich Kunstgeschichte.

Als Kunsthistorikerin sind mir die Möglichkeiten der Wissensaneignung im Fach Kunstgeschichte bekannt. Mit visual artnet habe ich ein Konzept entwickelt, das Lernen an Reflektionen knüpft und gleichzeitig eine funktionelle Lernumgebung schafft. Das betrifft die Verwendung von Bildmaterial, das Einbinden von Videosequenzen, spielerische Elemente und Selbsttests. Mit den von mir erstellten Lernprotokollen wird ein Bewertungssystem eingeführt, das dem Nutzer ein Erfolgserlebnis schafft und zugleich den aktuellen Wissenstand markiert. Die Auflockerung mit detailreichem Bildmaterial schafft eine Anbindung des Lernenden an den zu vermittelnden Lerninhalt.

MM: Wie refinanzieren Sie ihr Angebot? Was ist Ihr Geschäftsmodell?

CBB: Visual artnet bietet eine gemeinnützige und kostenlose Form der Wissensvermittlung im Bereich Kunstgeschichte. Bevor der Nutzer das E-Learning Programm starten kann, muss er sich lediglich kostenlos bei OLAT (Online Learning and Training) anmelden. Visual artnet ist ein Non-Profit-Unternehmen, das einer breiten Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung steht. Die Plattform wird privat gehalten und finanziert. Leider fehlen uns staatliche Fördermittel. Wir möchten diese auch nicht als Werbeplattform zweckentfremden. Visual artnet ist auf Gönner angewiesen, die einen Nutzen im frei verfügbaren Bildungsangebot im Internet sehen.

MM: Sie bieten eine (kostenpflichtige) App für Tablets/iPads und neuerdings auch ein iBook an. Wie unterscheiden sich diese Medien? Sind sie als Alternativen oder als Ergänzung zu verstehen?

iBook visual artnetCBB: Genau, Herr Müller, das ist eine wesentliche Ergänzung bei visual artnet: Die Lehrveranstaltungen finden nicht nur im Internet statt. Das technische Instrumentarium des Lernprogramms, das verwendete performante Open Source LMS OLAT, ist benutzerfreundlich und bietet umfangreiche Anwendungsmöglichkeiten – auch dank eines speziell erstellten Players für die App für das Tablet /iPad. Neuerdings lässt sich unser Lernprogramm auch mit iBook als On Location Learning durchführen. Visual artnet wird auch zukünftig auf das Mobile Learning setzen. Damit ergeben sich grundsätzlich zwei unterschiedliche Lernformen bei visual artnet, die sich allerdings ergänzen, beispielsweise im Themenangebot.

MM: Wie hat man sich das vorzustellen? Man lernt vor den Originalen, also etwa während man die Palazzi Venedigs besucht?

CBB: Geführt von der iPad App kann man beispielsweise eine Grand-Tour auf dem Canal Grande machen. Während der Fahrt mit der Gondel erfährt man mit der App einiges über die Kunst in Venedig, im Speziellen über die Paläste. Man lernt die unterschiedliche Palastarchitektur kennen und wird auf Details aufmerksam gemacht. Fachbegriffe werden im Glossar erklärt. Damit man nicht alles vergisst, notiert man sich das Wichtigste im in die Applikation eingebauten Lernprotokoll. Dank dieser Lernkontrolle kann man sich auch später noch daran erinnern, dass eine Loggia ein von Säulen oder Pfeilern getragener offener Raum ist.

MM: Wieviele Lernende nutzen zur  Zeit Ihr Angebot?

CBB: Wir verzeichnen fast jeden Tag neue Anmeldungen. Allerdings ist es ein fester Kreis von Nutzern, die sich ständig bei uns einloggen. Den weniger überschaubaren Bereich nehmen unsere ‚Gäste‘ ein, die sich gar nicht erst anmelden müssen – und wie sich in Zukunft der Einbezug mobiler Geräte positiv auf das Lernen mit visual artnet auswirken wird, ist noch nicht absehbar.

MM: Werden Sie auch soziale Netzwerke nutzen, um sich mit den Lernenden zu vernetzen? Auf welchen Kanälen ist visual artnet aktiv?

CBB: Visual artnet setzt erfolgreich auf soziale Netzwerke, die auf die Institution aufmerksam machen. Visual artnet ist mit grossen Bildungsanbietern verlinkt und ist in Sammlungen kunsthistorischer Internetquellen vermerkt. Blogs, Wikis, Podcasting oder RSS-Feeds und Social Media wie Twitter, Facebook und You Tube sind in die Plattform einbezogen. Das sind erste Schritte zu einer visual community, die langsam am Entstehen ist.

MM: Frau Bertling Biaggini, wir danken für dieses Gespräch!

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Veröffentlicht unter Digital Humanities, Mobile Publishing