Am 26. Mai 2010 hat Joshua Topolsky in einem Artikel des Engadget-Blogs die Vision eines „Continous Client“ entwickelt , der es ermöglicht, Dienste und Inhalte nahtlos auf verschiedenen Endgeräten zu nutzen. Man beginnt etwa mit der Lektüre eines Blogbeitrags am Bildschirm des Desktops, liest ihn auf dem Sofa mit dem iPad weiter und später in der U-Bahn auf dem Bildschirm des Smartphones.
Was die Nutzung von E-Books angeht, sind wir dieser Idealvorstellung einen großen Schritt näher gekommen, seit Google seinen lange angekündigten E-Book-Shop online geschaltet hat. Für amerikanische Nutzer sind die Sammlung älterer Werke (Google Books) und der neue E-Book-Store bereits als integriertes Angebot unter der Bezeichnung Google ebooks verfügbar. Die Version für den europäischen Markt ist für das erste Quartal 2011 angekündigt. Die gekauften E-Books verbleiben „in the Cloud“ und sind damit überall und voll allen (geeigneten) Endgeräten aus immer verfügbar. „Reading unbound“ lautet der Slogan des neuen Angebots, und auch in der Video-Präsentation von Google ebooks steht die Unabhängigkeit von Plattformen und Endgeräten im Vordergrund.
Amazon als Markführer im Online-Buchhandel, geht – nolens, volens – einen ähnlichen Weg. Seit längerem waren bei Amazon gekaufte E-Books nicht nur auf den hauseigenen E-Readern der Kindle-Familie zu lesen, sondern auch mit passenden Apps für das iPhone und Android-Smartphones. Seit November 2010 ist auch eine Kindle-Reader-Version für PC (und eine reduzierte Version für Mac) verfügbar.
Topolskys Vision und die Praxis der beiden großen E-Book-Portale folgen letztlich dem Gedanken der ubiquitären Verfügbarkeit von Inhalten. Es geht darum, dem Nutzer die Freiheit zu geben, Inhalte an beliebigen Orten und mit den dafür am besten geeigenten Geräten zu lesen, also um einen gesteigerten Lesekomfort.
Für Museen birgt das Continous Client-Konzept einen sehr viel weiter reichenden Mehrwert. Bislang wird der Großteil der publizierten Informationen zu den Werken in der Sammlung praktisch nur in Bibliotheken, im Büro oder zu Hause genutzt, während vor den Objekten eine schmale Auswahl (Audioguide, Kurzführer, Objektbeschriftungen) zur Verfügung steht.
Die Potenziale der neuen Formen des digitalen Publizierens lassen sich gut am Beispiel der Museumskataloge veranschaulichen. Schon ein typischer gedruckter Ausstellungskatalog wird kaum in der Ausstellung selbst gelesen, geschweige denn ein wissenschaftlicher Sammlungskatalog. In Form eines E-Books lassen sich solch umfangreiche Katalog aber sehr gut über ein Smartphone, ein Tablet oder einen handlichen E-Reader konsultieren. Das Medium E-Book ist ausreichend flexibel, um den situationsspezifischen Bedürfnissen eines Museumsbesuchers gerecht zu werden, der sich beispielsweise zu Hause oder im Zug auf seinen Museumsbesuch vorbereitet, sich in der Ausstellung über einzelne Werke informiert, um später einzelne Aspekte zu vertiefen.
Momentan ist erst in Umrissen erkennbar, wie sich diese Vorstellung in die Praxis umsetzen lässt. Die technischen Voraussetzungen im Hinblick auf Lesesoftware und mobile Endgeräte werden, wenn sich der aktuell zu beobachtende Trend fortsetzt, von den großen Akteuren des Online-Buchhandels geschaffen und im Massenmarkt durchgesetzt. Offen ist freilich noch, wie genau Museums-E-Books beschaffen sein müssen, damit sie den Mehrwert der ubiquitären Nutzung wirklich ausschöpfen können. Genügt es, geräteunabhängige Standards wie EPUB zu verwenden, oder ist es sinnvoll, spezielle Versionen für die mobile Nutzung anzubieten? Welche Rolle wird die Erweiterung um multimediale und interaktive Elemente spielen?
Wenn die Entwicklung bei den Museums-E-Books ähnlich dynamisch verläuft wie derzeit bei den Museums-Apps, wird es bald Anschauungsmaterial geben, an dem sich diese Fragen weiter diskutieren lassen.
[…] Link zum Beitrag Continuous Client – Perspektiven für das E-Publishing von Museen […]