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Interview mit Christian Hönemann über die VR-Brille Oculus

Christian Hönemann mit der VR-Brille OculusChristian Hönemann ist Spezialist für 3D-Visualisierungen und leitet die Agentur 3DiB in Berlin-Schöneberg, die sich unter anderem mit 3D Modelling und der interaktiven Umsetzung von Inhalten in den Bereichen  Architektur und Inneneinrichtung, Produktdesign und technische Abläufe beschäftigt. Wir haben mit ihm über die Anwendungsmöglichkeiten von Virtual Reality Devices wie der Brille Oculus gesprochen.

Michael Müller: Im Frühjahr hat Facebook Oculus Rift, den Entwickler einer Virtual Reality-Brille, für stolze 2 Milliarden Dollar gekauft, weil Mark Zuckerberg ihr das Potenzial zutraut, „the next major computing platform“ zu werden. Was genau kann eigentlich die Wunderbrille?

Christian Hönemann: Die „Wunderbrille“ spielt zwei computergenerierte Bilder auf einem Monitor in die Augen des Betrachters. Die Bilder werden zuvor noch mit Linsen zu einem 110 Grad weiten „field of view“ (Blickfeld) vergrößert. Durch die Versetzung der Bilder entsteht im Gehirn des Betrachters ein stereoskopischer 3-D Effekt, also der Eindruck räumlicher Tiefe.

Das wäre für sich genommen aber kein Quantensprung. Entscheidend ist, dass die Bilder in Abhängigkeit von der Blickrichtung des Betrachters in Millisekunden neu (dynamisch) erzeugt werden. Wenn der Nutzer also den Kopf dreht, kann er den gesamten Raum um sich herum betrachten. Er dreht sich nach hinten und sieht den Raum hinter sich (bzw. das, was der Computer als rückwärtigen Raum generiert), er schaut nach oben und blickt in den Himmel etc. Dadurch hat der Betrachter den Eindruck, er befinde sich direkt im virtuellen Raum – er wird Teil dieser virtuellen Realität, tauch ganz in sie ein. Dieser Immersionseffekt ist das Entscheidende an Oculus.

MM: Diese virtuelle Welt bleibt aber ein synthetisches Konstrukt. Wie realistisch empfindet man die Virtual Reality, in die man mit Oculus eintaucht?

CH: Je schneller die Prozessoren werden (nach dem Moorschen Gesetz verdoppelt sich alle zwei Jahre deren Kapazität), desto fotorealistischer werden die vom Computer erzeugten Bilderwelten – und umso höher der Immersionseffekt. Bisher muss die Brille an einen PC angeschlossen werden, der die Daten liefert. Samsung hat jedoch mit Oculus eine Kooperation vereinbart und will noch dieses Jahr die „Gear“ auf den Markt bringen, mit der sich ebenfalls VR sehen lässt – aber nur mit einem einfachen Samsung Handy (ab Galaxy 4) und einem mechanischen Aufsatz. Solche Aufsätze gibt es auch schon von anderen Herstellern.

MM: Bisher ist die Datenbrille Oculus noch recht teuer und schwer zu bekommen. Hat sie das Zeug, zu einem Massenprodukt für den ganz normalen Endverbraucher zu werden?

CH: Die Oculus VR gibt es bisher nur als Developer-Kit (SDK 2). Für den Endverbraucher soll sie im kommenden Jahr für $200-300 auf den Markt kommen. Wie schnell sie im Consumer-Bereich Verbreitung findet, ist natürlich schwer vorherzusagen. Zuckerberg möchte jedenfalls 1 Milliarde Nutzer für VR gewinnen.

MM: Auf den einschlägigen Pressebildern sieht man immer junge Menschen (meist sind es Männer) mit einem backsteingroßen Apparat auf der Nase. Darf man hoffen, dass die VR-Brille einmal klein und elegant sein wird?

CH: Kaum – denn VR bedeutet, sich von der Außenwelt „abzuriegeln“. Anders als Augmented-Reality-Brillen (z.B. Google Glass), ist es hier die totale Abschottung von der realen Welt gewünscht. Das Material ist aber schon leicht – und kann sicher noch leichter werden. Auch das Design wird bestimmt noch schöner.

MM: Wenn man an Einsatzmöglichkeiten im Kulturbereich denkt: Wie aufwändig ist es, die virtuellen Welten zu erschaffen, die man mit der Brille erleben kann?

CH: Es ist wie bei der Filmproduktion. Man kann einen 2-Minuten-Video drehen mit einem Schauspieler in einem Raum – oder ein Epos mit hunderten auf der ganzen Welt. Aus Perspektive eines 3D-Visualisierers betrachtet, ist die Schaffung von VR-Welten für Oculus letztlich eine Weiterführung seiner Arbeit. Vorhandene oder neu erstellte 3D-Welten, wie wir sie z.B. aus dem Spielebereich oder aus der Architektur kennen, müssen konvertiert und angepasst werden. So kann man zum Beispiel komplexe Modelle mit realistischen Texturen nicht eins zu eins übernehmen. Denn das würde die heutige Hardware überfordern. Aber wir sind da auf einem sehr viel moderneren Stand als noch vor wenigen Jahren, als die Spieleindustrie mit Klötzchengrafik aufwartete.

MM: Könnte man eine VR-Brille in einem Museum oder einer archäologischen Stätte den Besuchern anbieten?

CH: Ja, gerade im Bereich Museen, historische Stätten, Ausstellungen … kann man sich eine ganze Reihe interessanter Anwendungen vorstellen. In der Realität sieht man z.B. die (spärlichen) Reste eines antiken Gebäudes, durch die Brille dann eine Rekonstruktion der Architektur. Oder der Besucher steht vor einem Gemälde, und in der virtuellen Realität wird das Gemälde wieder an seinen ursprünglichen Standort versetzt.

MM: Muss man sich an den Effekt erst gewöhnen? Hat man anfangs Problem mit Geleichgewicht und Orientierung?

CH: Nein, nach unserer Erfahrung funktioniert das auf Anhieb. Der Nutzer hat ja das Gefühl, er bewege sich in einer wirklichen Welt – nur dass diese eben virtuell erzeugt und nicht real gegeben ist. Wobei „Bewegung“ hier meint: sich umschauen, nach hinten, oben, unten gucken. Physisch bleibt man aber am gleichen Fleck.

MM: Christian Hönemann, wir danken für dieses Gespräch!

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Veröffentlicht unter Museen, neue Technologien