Dr. Stephan Adam ist Leiter der Abteilung Kommunikation der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Zu den Staatlichen Kunstsammlungen gehören 14 international renommierte Museen wie etwa das Grüne Gewölbe, das Kupferstich-Kabinett, die Gemäldegalerie Alte Meister, die Porzellansammlung, die Skulpturensammlung. Diese sind in berühmten Bauwerken beheimatet– u. a. im Residenzschloss, in der Sempergalerie, im Zwinger oder im Albertinum. Ebenfalls zum Verbund gehören die drei Museen für Völkerkunde in Leipzig, Dresden und Herrnhut. Neben der klassischen Pressearbeit leitet Stephan Adam den Aufbau und die strategische Nutzung der Social Media für die SKD. Mit ihm hatten wir bereits 2011 über die Vorteile und Perspektiven gesprochen, die das Web 2.0 für Museen und Kulturinstitutionen bietet. Im folgenden Interview zieht er eine erste Bilanz und gibt einen Ausblick über die zukünftige Ausrichtung.
Jörn Brunotte: Wenn Sie auf die vergangenen Jahre Ihres Engagements in den Social Media zurückblicken: Was hat sich aus Ihrer Sicht bewährt? Wo liegen die Stärken und Chancen der Social Media für die Museen?
Dr. Stephan Adam: Der wesentliche Aspekt war von Beginn an und ist nach wie vor die Chance des direkten Austauschs mit den Kunstliebhabern, die die Social Media nutzen. Man erreicht diese Zielgruppe schnell und ohne den „Umweg“ über vermittelnde Medien. Wir können dort auch über Themen sprechen, die die Medien nicht oder nur vereinzelt aufgreifen. Wobei diese Medien damit nicht unbedingt Desinteresse zum Ausdruck bringen, es fehlt ihnen oftmals schlicht der Platz, um alles darzustellen, was wir für berichtenswert halten oder von dem wir annehmen, dass es die in den Social Media aktiven Follower ansprechen könnte.
Auf der anderen Seite ist für jedes Museum das Feedback von Besucherinnen und Besuchern bzw. Menschen, die sich mit unseren Ausstellungen oder Bildungsangeboten auseinandersetzen, von besonderem Wert. Das gilt zwar für ausgelegte Besucherbücher in Ausstellungsräumen nicht anders als für Reaktionen in den Social Media. Aber im Unterschied zum Besucherbuch als Forum für Resonanz gibt es ein besonderes Moment der Social Media: Hier bietet sich die Möglichkeit auf Feedback unmittelbar zu reagieren.
Und auch wer die Dauer- bzw. Sonderausstellungen nicht besuchen kann, ist in das Geschehen involviert und hat in seinem Alltag dennoch eine Teilhabe. Dieser Gedanke wiederum ist nicht nur für unsere Kommunikation in den Social Media prägend, sondern er wirkt auch über die mittels unseres Webauftritts zugänglichen Panoramarundgänge, die Mediathek, die Online Collection oder die Beteiligung am Google Art Project, um weitere wesentliche Facetten der digitalen Kommunikation der SKD anzusprechen.
Eine besondere Chance liegt überdies in der Tatsache, dass wir über die Social Media vor allem ein junges Publikum erreichen. Ein Drittel der „Fans“ der SKD-Facebook-Fanpage – und damit die mit Abstand größte Gruppe – ist zwischen 25 und 34 Jahren alt.
JB: Evaluieren die Staatlichen Kunstsammlungen ihre Social Media-Aktivitäten regelmäßig, welche Erfolgskriterien wurden dafür entwickelt?
SA: Die Zahl der Personen, die uns auf den verschiedenen Kanälen folgen, ist das naheliegendste Kriterium. Hier zeigt sich ein stetiger Trend nach oben, auch wenn wir rein nach Zahlen nicht zu den Spitzenreitern zählen – da ist fraglos noch Raum für Wachstum. Angesichts der noch überschaubaren Größenordnungen evaluieren wir etwa die Nutzerstruktur, wie das Alter und die Herkunft unserer Follower mit Hilfe der von den jeweiligen Kanälen oder externen Diensten zur Verfügung gestellten Statistik-Instrumente. Im Übrigen schauen wir aufmerksam, mit welchen Themen wir besondere Resonanz erzeugen. Wichtiger noch als das Kennen der soziodemografischen Daten ist das Beobachten der Stimmungslage und die Erkenntnis, dass nicht selten ein ansprechendes Bildmotiv mit einem knappen Kommentar mehr Reaktionen erzeugt als eine lange Erklärung.
JB: Betreiben Sie auch direktes Online-Marketing über die Social Media?
SA: Auf Marketing-Aktivitäten via Social Media haben wir bisher verzichtet. In naher Zukunft planen wir jedoch Anzeigenkampagnen, die auf aktuelle Sonderausstellungen und unsere Museen aufmerksam machen sollen. Diese haben das Ziel, die Bekanntheit unserer Fanpage und unserer Aktivitäten innerhalb der Plattform zu steigern.
JB: In welcher Form sind die einzelnen Häuser der SKD in den Social Media präsent?
SA: Wir hatten uns seinerzeit bei unserem Beitritt zu den sozialen Netzwerken entschieden, allein auf die Dachmarke „Staatliche Kunstsammlungen Dresden“ zu setzen, also den Verbund als Plattform zu etablieren. Es ist zu überlegen, ob und inwieweit wir über eine Präsenz auch einzelner unserer Museen in den Social Media die SKD-Fanpages bei Facebook und Twitter qua entsprechender Verlinkungen stärken könnten. Die von den SKD zu kommunizierenden Inhalte sind so vielfältig wie deren Museen und viele Social-Media-Nutzer dürften in ihren jeweiligen Interessengebieten „unterwegs sein“ und gerade dort Verknüpfungen suchen, ob nun auf dem Gebiet von Design oder Gemälden alter Meister. Vielleicht liegt hier ein noch ungenutztes Potential. Allerdings muss auch diskutiert werden, wie wir einen solchen Schritt im Rahmen unserer Möglichkeiten und all unserer anderen Kommunikationsvorhaben leisten könnten.
JB: Welche Rolle spielt Ihr Blog in der Gesamtstrategie?
SA: Der Blog der SKD ist der Ort, um weiter auszuholen, um etwas vertieft auszuführen. Wir sehen ihn auch von Fall zu Fall als eine Verlängerung der jeweiligen Sonderausstellungsseite des SKD-Webportals. Er ist ein ergänzendes Werkzeug in unserer Kommunikation und unserem Bestreben, den Interessierten weitere und tiefergehende Informationen anzubieten, die über die Ausstellungsseiten hinausgehen.
Der Blog ist zugleich ein Bestandteil thematischer Kampagnen-Kommunikation: So war er während der Wiedereröffnung des Mathematisch-Physikalischen Salons 2013 einer der Schauplätze, an welchem wir im Vorfeld der Eröffnung über die Vorbereitungen berichtet haben.
Im Blog zeigen wir darüber hinaus Ergebnisse von Workshops aus unserem museumspädagogischen Programm, z.B. Zeichnungen von Schülern, oder präsentieren ein „Kunstwerk der Woche“ bzw. den dazugehörigen Künstler aus Anlass von Sonderausstellungen.
JB: Wie häufig berichten Sie denn? Und worüber konkret?
SA: Bei Facebook und Twitter berichten wir nahezu täglich, im Blog sind die Abstände aufgrund der Vorarbeit und des redaktionellen Aufwands größer.
Im Zentrum steht zum einen das Bereitstellen von Hintergrundinformationen zu unseren aktuellen Sonderausstellungen als auch zu den Dauerpräsentationen unserer Museen. So gewähren wir dort den berühmten „Blick hinter die Kulissen“, z. B. beim Ausstellungsaufbau oder im Kuratorengespräch.
Darüber hinaus greifen wir tagesaktuelle Ereignisse oder Gedenktage auf, indem wir mit diesen in inhaltlichem Bezug stehende Sammlungsobjekte in den Blick nehmen und reflektieren. Nicht zuletzt haben wir die Möglichkeit unkonventionell und kurzfristig über aktuelle Veranstaltungen oder auch Programmänderungen zu informieren.
JB: Wie haben Social Media Ihre Öffentlichkeitsarbeit in den letzten Jahren verändert?
SA: Sie sind ein Aspekt einer breit gefächerten Kommunikation. Sie gehören längst ganz selbstverständlich zum Instrumentarium der Kommunikation neben zahlreichen anderen Elementen. Wir schätzen diese Möglichkeit des Austausches.
Es gibt allerdings viele andere Innovationen, mit denen wir auf die veränderte Medienlandschaft und die zunehmende Digitalisierung reagiert haben. Die mobile Website, der Auf- und Ausbau der SKD-Online Collection, die Beteiligung der SKD am Google Art Project oder die Schaffung eines barrierefreien Webauftritts der SKD – all dies sind ganz wesentliche Entwicklungen. Die erste Generation unserer Panoramarundgänge wird in Kürze durch technische und in ihrer Vermittlungsleistung verbesserte Rundgänge ersetzt, die dann auch mehr Museen der SKD als bisher im Internet erlebbar machen.
Überdies bedingen unsere sächsischen Standorte in unmittelbarer Nachbarschaft zu Tschechien und Polen, ebenso wie die große Zahl russischsprachiger Besucherinnen und Besucher in unseren Museen, sowie die Gäste aus anderen Ländern spezifische Kommunikationsstrategien. Dazu zählen Microsites unseres Webportals in den jeweiligen Sprachen und eine intensive, sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit den Medien dieser Länder, nicht jedoch die Social Media.
Generell sind die Social Media für die SKD aktuell keine für die internationale Kommunikation relevanten Kanäle. Regional und bundesweit betrachtet ist es wiederum für uns nach wie vor sehr wichtig, wenn sich die klassischen Medien, vom Feuilleton über Reiseseiten bis zu den Nachrichtenformaten, für Themen der SKD interessieren und über diese berichten. Umfragen zu zwei unserer großen und vom Publikum stark besuchten Sonderausstellungen des letzten Jahres haben dies erneut belegt.
Dies sind, um den Rahmen nicht zu sprengen, nur Andeutungen, um zu zeigen, dass die Social Media zwar zu einer festen Größe in der Kommunikation der SKD wurden, sie aber andererseits integraler Bestandteil vieler weiterer Kommunikations- und Vermittlungswege sind.
JB: Wie sehen Sie die Zukunft der Social Media für die Museen?
SA: Was „die Museen“ (in Deutschland) betrifft, werden die Social Media vermutlich weiter an Verbreitung und Bedeutung gewinnen. Facebook feierte unlängst sein 10-jähriges Bestehen, und so erweisen sich die Social Media jetzt schon als beständig. Eine sichere Prognose in einer sich rasant wandelnden, äußerst dynamischen digitalen Kommunikationswelt möchte ich nicht wagen.
Werden die Erkenntnisse über das Ausspähen von Daten durch Geheimdienste ohne Auswirkungen auf das Nutzerverhalten bleiben? Eine mögliche Frage neben manch anderen. Für die Kommunikation von Museen, so viel scheint mir sicher, werden jedenfalls noch auf längere Sicht die klassischen Medien eine große Rolle für eine weit reichende, internationale Verbreitung von Informationen spielen, ob nun in den tradierten Formen der Medien oder über dieselben im Internet abrufbaren Inhalte (von den Mediatheken bis zum E-Paper). Hinzu kommt die große Zahl der Onlineredaktionen.
Von solchen grundsätzlichen Erwägungen abgesehen, bleibt eine individuelle Betrachtung wichtig. Man kann nicht alle Museen über einen Kamm scheren. Jedes Museum muss seine Kommunikation auf seine spezifischen Gegebenheiten einstellen.
JB: Herr Dr. Adam, wir danken Ihnen für das Gespräch!