Das mobile Internet verzeichnet anhaltend hohe Wachstumsraten. Schon heute (April 2010, Quelle: BITKOM) nutzt jeder zehnte Internetnutzer das Web über sein Smartphone, bei den unter 30jährigen sind es schon 17%. Bei 10 Millionen internetfähigen Smartphones, die in diesem Jahr in Deutschland verkauft werden, wird sich dieser Trend beschleunigen.
In unserer Artikelserie Mobile Marketing für Museen werden wir verschiedene Möglichkeiten vorstellen, wie Museen und Kultureinrichtungen diesen Trend nutzen können, um die Zielgruppe der mobilen Internetnutzer anzusprechen.
Museen und das mobile Web
Wer mit dem mobilen Browser seines Smartphones die Websites deutscher Museen aufruft, merkt schnell, dass sich die Kultureinrichtungen noch nicht auf die Zielgruppe der mobilen Internetnutzer eingestellt haben. Was er zu sehen bekommt, sieht in aller Regel etwa so aus:
Es fehlen mit wenigen Ausnahmen Websites, die auf das reduzierte Display von mobilen Endgeräten zugeschnitten sind. Das gilt keineswegs nur für Museen und Kultureinrichtungen, sondern für einen Großteil der Webseiten-Betreiber. Denn die automatische Umformatierung eines Internetauftritts für die vielen mobilen Endgeräte (Transcoding) ist recht teuer (ab ca. 500 EUR im Monat) und kommt für kleinere und mittlere Websites kaum in Betracht.
Bewertungsportale Qype und Yelp
Die mobilen Nutzer haben sich darauf eingestellt. Sie suchen Informationen oft nicht über den mobilen Browser ihres Smartphones, sondern über spezielle Dienste. Für ortsbezogene Informationen spielen Bewertungsportale wie Qype oder Yelp eine wichtige Rolle. Sie bieten zu allen denkbaren Orten in der Stadt neben Grundinformationen wie Kontaktdaten und Öffnungszeiten Bewertungen und Kommentare von Nutzern. Die Nutzerstatistik belegt, dass dieses Informationsangebot intensiv genutzt wird. Der deutsche Marktführer Qype verzeichnete im Oktober rund 19 Millionen Seitenaufrufe. Nach Schätzungen des Anbieters entfallen davon 20-30% auf mobile Smartphone-Nutzer.
Mit dem Smartphone kann man Qype über den mobile Browser nutzen oder – deutlich komfortabler – mit einer kostenlosen App.
Relevanz für Museen
Aus Sicht der Museen stellt sich natürlich die Frage, ob auf diesen Portalen neben Cafés, Restaurants, Läden und Clubs auch Kultureinrichtungen eine Rolle spielen. Entsprechende Einträge sind vorhanden. Der weit überwiegende Teil der Museen in den großen Städten ist beispielsweise bei Qype vertreten. Aber werden diese Einträge auch wahrgenommen und genutzt?
Die Stichprobe
Zur Beantwortung dieser Frage haben wir eine Stichprobe in Berlin genauer unter die Lupe genommen. Untersucht wurden 13 Museen im Umfeld des Potsdamer Platzes (im Uhrzeigersinn):
Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW), Gemäldegalerie (GG), Kunstgewerbemuseum (KGW), Kupferstichkabinett (KK), Neue Nationalgalerie (NNG), Musikinstrumenten-Museum (MIM), Daimler Contemporary – Daimler Kunstsammlung (DC), Stiftung Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen (MFF), Dali-Ausstellung am Potsdamer Platz (DA), Museum für Kommunikation (MK), Martin-Gropius-Bau (MGB), Stiftung Topografie des Terrors (TT), Deutsches Technikmuseum (DTM).
Alle Einrichtungen sind mit einem Eintrag bei den beiden führenden Portalen Qype und Yelp vertreten, zwei (Kupferstichkabinett und Kunstgewerbemuseum) bei Qype allerdings nur mit den Kontaktdaten und ohne Bewertungen, bei Yelp trifft dies auch auf die Dali-Ausstellung zu.
Die folgende Auswertung bezieht sich auf die 11 bei Qype bewerteten Häuser. Gemessen an der Anzahl der Bewertungen für Museen ist Yelp deutlich weniger relevant (25% Anzahl Bewertungen im Vergleich zu Qype). Stichtag war der 1. Dezember 2010.
Die Museen bei Qype
Die Nutzer des Bewertungsportals haben verschiedene Möglichkeiten, sich zu den eingetragenen Museen zu äußern und damit das Informationsangebot zu erweitern. Sie können:
- eine Bewertung schreiben
- eine Sterne-Bewertung abgeben
- die Bewertung eines Nutzers kommentieren
- ein „gefällt mir“-Votum zum Museum abgeben
- ein „gefällt mir“-Votum zu einer Bewertung abegeben
- Fotos hochladen
Die Bewertung nach Sternen fällt durchweg positiv aus. Sie variiert zwischen 4 und 5 Sternen von 5 möglichen. Auffällig ist, dass diese Bewertungsmöglichkeiten bei den untersuchten Museen sehr unterschiedlich stark genutzt wurden. So kann das Deutsche Technikmuseum stolze 79 Bewertungs-Beiträge vorweisen, bei der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin sind es 6. Bei den zählbaren Interaktionen ergibt sich das folgende Bild:
Man sollte die quantitative Seite nicht überbewerten, bei der Version für den mobilen Browser werden ohnehin nur die letzten fünf Einträge angezeigt. Entscheidend für die Wirkung auf potenzielle Museumsbesucher ist die Qualität der Beiträge. „Ein tolles Museum bei dem man quasi ‚live dabei‘ ist. Es gibt immer wieder was neues zu sehen. Einfach einen Besuch wert“, schreibt etwa Intensiv-Qyper awollnik (424 Beiträge) zum Deutschen Technikmuseum. Oft sind die Beiträge recht ausführlich. So widmet etwa Nutzer berlingazza der Neuen Nationalgalerie ganze 2.700 Zeichen und MichaelZ fügt seinem Beitrag noch vier Fotos und ein YouTube-Video hinzu. Bessere „Botschafter“ für das eigene Haus kann man sich eigentlich nicht wünschen.
Die Relevanz der Qype-Bewertungen ergibt sich auch aus der Situation, in der sie rezipiert werden: Mobile Qype-Nutzer befinden sich in der Regel vor Ort, sie stehen unmittelbar vor der Entscheidung, ob Sie in ein Museum oder eine Ausstellung gehen oder ein anderes Freizeitangebot nutzen. Für die 11 Museen unserer Stichprobe kann man sagen: Mehrere Hundert Besucher haben an den Bewertungen teilgenommen, viele Tausend diese Bewertungen gelesen, haben sich über die betreffenden Museen informiert, und man darf davon ausgehen, dass die positiven Nutzerbewertungen einen gewissen Anteil von ihnen zu einem Museumsbesuch motiviert hat.
Einflussmöglichkeiten
Die Bewertungen auf Portalen wie Qype oder Yelp sollten deshalb aus unserer Sicht in die Marketingstrategie eines Museums einbezogen werden. Nun liegt es in der Natur dieser Bewertungsportale, dass die Inhalte von den Nutzern erstellt werden, nicht vom Anbieter selbst. Welche Möglichkeiten bleiben also einem Museum, die eigene Präsenz auf Qype & Co zu beeinflussen?
Tabu sind selbstverständlich fingierte Bewertungen etwa durch die Mitarbeiter des Hauses oder eine PR-Agentur. Es gibt aber drei sehr einfache Maßnahmen, die eigene Qype-Präsenz zu verbessern:
1. Kostenloser Eintrag des eigenen Hauses
Jeder Nutzer kann auf Qype „Places“ anlegen, etwa sein Lieblingsrestaurant, einen Laden oder eben ein Museum. Diese Einträge mit den Basisinformationen (Anschrift, Kontakt, Website, Öffnungszeiten …) bleibt für jeden anderen Nutzer editierbar. Das ändert sich erst, wenn sich jemand bei Qype als der „Besitzer“ des Eintrags zu erkennen gibt. Er kann sich kostenlos als solcher registrieren lassen und ist dann für die Pflege der Informationen in Zukunft alleine verantwortlich.
Erstaunlicherweise scheinen die wenigsten Museen von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Von den 11 Museen der Stichprobe sind nur zwei Besitzer ihres Eintrags (Deutsches Technikmuseum und Dali-Ausstellung). Bei den anderen kann jeder beliebige Nutzer beispielsweise den Link zur Homepage des Museums ändern.
Schon aus Gründen der Seriosität sollte jedes Museum die wenigen Minuten investieren, den eigenen Eintrag zu sichern und damit für verlässliche Informationen zu sorgen.
Es besteht auch die Möglichkeit, für eine Monatsgebühr von ca. 35-60 Euro einen Premium-Eintrag zu buchen, der die Position in den Ergebnislisten beeinflusst (momentan noch nicht bei der mobilen Qype-App).
2. Eintrag vervollständigen und aktuell halten
Die Informationen zu den einzelnen Orten auf Qype sind nicht sehr umfangreich. Gerade bei den von Nutzern angelegten Einträgen fehlen aber oftmals Angaben, etwa in den Kategorien rollstuhlgeeignet, kindergerecht oder Parkmöglichkeiten. Man sollte darauf achten, dass im eigenen Eintrag alle Felder ausgefüllt sind. Außerdem kann der Besitzer dem Profil Fotos hinzufügen und damit das eigene Haus ins rechte Licht rücken. Bei Änderungen der Öffnungszeiten sollte man nicht vergessen, diese auch den Nutzern von Qype mitzuteilen.
3. Dialog mit den bewertenden Nutzern
Über die Kommentarfunktion besteht die Möglichkeit, auf die Bewertungen zu reagieren. Das sollte, wie bei allen Web 2.0-Diensten, zurückhaltend und überlegt erfolgen. Bei Missverständnissen oder Kritik ist es aber angebracht, durch einen kurzen Kommentar zu signalisieren, dass man das Problem wahrgenommen hat und sich konstruktiv mit dem Feedback auseinandersetzt.
Fazit
Bewertungsportale wie Qype oder Yelp werden zunehmend genutzt, um sich direkt vor Ort über Freizeitmöglichkeiten zu informieren. Sie erreichen die Zielgruppe der Museen genau in dem Moment, in dem die Entscheidung über einen Museumsbesuch fällt. Deshalb lohnt es sich für ein Museum, sich mit diesen Diensten auseinanderzusetzen. Die Möglichkeiten, dieses Medium zu beeinflussen, halten sich in engen Grenzen, sind aber kostenlos und erfordern aber auch nur einen sehr geringen Arbeitsaufwand. Man sollte sie deshalb unbedingt nutzen.
Ein wirklich klasse und umfangreicher Artikel. Liebe Grüße
Danke schön, das hören wir gerne!